'Kassandra'
Theater

Christa Wolfs Erzählung 'Kassandra' (1983) zeigt die mythologische Figur der Seherin Kassandra, wie sie als dem Tod geweihte Gefangene Mykene durch das Löwentor betritt. Das ist der Moment, von dem her sich die Erzählung als ein einziger großer Monolog entfaltet, in dem Kassandra auf den trojanischen Krieg und den Abstieg und schließlichen Untergang ihres Volkes zurückblickt. Dass es Christa Wolf dabei nicht einfach um eine womöglich anachronistische Wiederbelebung des antiken Stoffs gehen konnte, ist evident. Vielmehr geht es um eine nahezu parabelhafte Abrechnung mit der DDR-Gesellschaft, mit deren patriarchalischen Grundlagen, ihrem pathologischen Sicherheitsbedürfnis, ihrem System der Bespitzelung, Hierarchisierung, Unterwerfung, Repression, Militarisierung und Gewalt. Kritik an all dem, das ja mit der DDR keineswegs etwa aus der Welt verschwunden ist, sondern sich immer weiter noch in unterschiedlichsten Varianten perpetuiert, und nicht zuletzt dabei auch Selbstkritik wohl der Autorin an ihrer eigenen Rolle zu DDR-Zeiten dürfte die Essenz dieses Stücks Literatur sein.

Die schweizerische Schauspielerin Barbara Magdalena Ahren, bekannt auch aus zahlreichen Fernsehproduktionen, hat aus diesem Text Christa Wolfs eine grandiose Soloshow destilliert.