Kulturelles
Kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländer:innen sollte man nicht unterschätzen, auch sind diese auf den ersten Blick geringfügiger als zwischen anderen Völkern.
Siezen vs. duzen
Aufällig ist sicher einmal der Gebrauch von ‘je’ statt ‘u’. Siezen ist auch im Berufsleben nicht üblich. Dass Sie Ihren Chef duzen, heisst jedoch nicht, dass es keine Hierarchie gäbe. Zumeist wird bei der ersten Begegnung gesiezt, und dann ab dem zweiten Mal kommentarlos zum ‘Du’ gewechselt. Schüler:innen siezen allerdings ihre Lehrkräfte im Normalfall; an einigen wenigen Schulen gibt es wiederum die Absprache, dass das Lehrpersonal geduzt wird.
Lunch
Für viele Deutsche gewöhnungbedürftig ist das karge Mittagsessen. Hier macht sich der Kalvinismus der Holländer:innen bemerkbar: Essen muss satt machen, darf nicht viel kosten und sollte vor allem nicht zu lange aufhalten. So werden dann oftmals Stapel Butterbrote mit Erdnussbutter (pindakaas) zur Arbeit mitgeführt, die stehend oder am Computer eingeworfen werden. Die warme Mahlzeit wird dann abends um ziemlich genau 18 Uhr eingenommen, wofür sich Arbeitnehmer abends rasch in Richtung heimatlichem Herd begeben.
Trinken
Holländer:innen trinken zu jeder Tageszeit Kaffee, und bei jedem Gespräch muss Kaffee serviert werden. Trifft man sich “op de koffie”, ist das nicht etwa nachmittags, sondern morgens gegen 11 Uhr. Auch wenn man abends zu einem Geburtstag eingeladen wird, muss erstmal Kaffee getrunken werden, bevor man einen Wein angeboten bekommt. Kuchen darf man sich nicht selber nehmen, und es gibt für jeden genau ein Stück.
Rechnung bezahlen
Was das Bezahlen in Cafés und Restaurants betrifft: Es ist eher unüblich, dass jeder einzeln bezahlt. Meist wird zusammengelegt, wobei jeder den gleichen Teil übernimmt. Und wenn man in der Kneipe gemeinsam etwas trinkt, werden abwechselnd Runden gegeben.
Kontakte
Deutsche empfinden Holländer:innen als unkompliziert und locker. Als Neuanfänger:in an einer Schule helfen Ihnen die Kolleginnen gerne - Sie müssen allerdings explizit darum bitten. Sprachfehler werden Ihnen hierbei nicht übel genommen. Trotz netter Kontakte auf der Arbeit treffen sich Kolleginnen eher selten auch privat. Holländer:innen richten Ihre Freizeit effizient ein und verwenden diese primär für Familie und ein paar langjährige FreundInnen.
Schüler
Der Umgang mit Schülern ist in den Niederlanden ein persönlicher. Die Kinder wollen alles von Ihnen als Lehrkraft wissen, und erwarten umgekehrt auch, dass Sie Interesse zeigen für ihr Leben. Es ist ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Arbeit ein Vertrauensverhältnis mit der Klasse aufzubauen. Sonst arbeitet diese auch nicht mit; mündliche Noten gibt es schlieβlich nicht. Alle Noten kommen auf der Basis schriftlicher Noten zustande.
Erziehung
Die glücklichsten Kinder auf der Welt scheinen - laut Umfragen - in den Niederlanden zu leben. Das hat sicher auch mit der Erziehung zu tun. Der Focus auf Eigenständigkeit sorgt dafür, dass die Kinder zu selbstbewussten Menschen erzogen werden. Diese werden auch nicht zu sehr materiell verwöhnt, sodass sie lernen, dass man sich selber etwas erarbeiten muss. Dabei ist Leistung nicht intellektuell definiert, sondern jedes Kind soll auf seinem Niveau glücklich werden.
Lektüre
Dik Linthout: Frau Antje und Herr Mustermann. Niederlande für Deutsche (2002)
Annette Birschel: Mordsgouda. Als Deutsche unter Holländern (2011)
Kerstin Schweighöfer: Auf Heineken könn wir uns eineken. Mein fabelhaftes Leben zwischen Kiffern und Kalvinisten (2012)
Tilmann Bünz: Fünf Meter unter dem Meer. Niederlande für Anfänger (2016)